Sprachphilosophie
In der Vielfalt der Ansätze und Formen sprachphilosophischer Reflexionen lässt sich als gemeinsamer Nenner herauskristallisieren, dass sie in der Thematisierung der Sprache gleichzeitig über den Menschen als sprachfähiges Wesen und damit über die mit der Sprache einhergehenden Möglichkeiten reflektieren. Dabei verschwimmen die Grenzen zwischen S. und sprachphilosophisch orientierter Philosophie. Zur Letzteren sind die anthropologischen Reflexionen über die Sonderstellung des Menschen als sprach- und vernunftfähiges Wesen zu rechnen: die Sprache als Ausdruck des Geistes (Scheler), als Vermögen zur Selbstreflexion und Stellungnahme (Plessner) und die Sprache in ihrer anthropo-biologischen Funktion, den Menschen durch Symbolisierung vor Reizüberflutung zu entlasten (Gehlen). Im Rahmen existenzphilosophischer Fragestellungen steht die Bedeutung der Sprache für den Zusammenhang zwischen dem Wesen des Menschen und seinem Verhältnis zum Sein im Vordergrund. So fragt Heidegger nach demjenigen Existenzial, das allem konkreten Sprechen zugrundeliegt. Er findet den gesuchten Grund in der Rede, die er in ihren einzelnen Strukturmomenten darlegt. Die Rückführung auf die Seinsstruktur des Daseins richtet sich gegen eine instrumentalistische Auffassung der Sprache. Bei Jaspers wird Sprache vom Bewusstsein her bestimmt: Sprache ist in ihrem Verhältnis zu den verschiedenen Weisen des Umgreifenden, in denen wir das eine Sein begreifen, bestimmt. Für Merleau-Ponty muss Sprache im Zusammenhang mit dem leiblichen Ausdrucksvermögen gesehen werden. Sie ist eine besondere Form der Gebärde. Sie stellt den Bezug zu einer kulturellen Welt her, indem sie Sinn konstituiert und jeder Sprecher sich auf einen tradierten Bestand von Bedeutung beziehen kann, auf dessen Grundlage wieder neuer Sinn entstehen kann.
Von solchen sprachorientierten Reflexionen lassen sich diejenigen Positionen der S. abheben, die der Frage nachgehen, auf welche Weise die Sprache zum Vehikel des Denkens und der Kommunikation werden kann. Die unterschiedlichen Positionen der S. lassen sich im Hinblick auf die gemeinsame Perspektive, nämlich die Bedeutung der Sprache für den Menschen zu thematisieren, in einen systematischen Bezug bringen. Dabei ist die Bedeutung der Sprache für den Menschen in einem doppelten Sinne zu verstehen: (a) in dem Verständnis, dass der Mensch sich erst über Sprache einen Sinnbezug zu dem verschafft, was für ihn Welt bedeutet, und (b) dass in der Sprache der mögliche Garant der Richtigkeit eines Wirklichkeitsbezugs zu suchen und zu finden sei. In dieser allgemeinen Charakterisierung ist noch nicht festgelegt, ob es sich dabei um eine gegenständliche oder eine soziale Welt handelt, ob hinsichtlich der gegenständlichen Welt diese als eine der Sprache vorgängige Wirklichkeit angenommen oder als eine erst qua Sprache konstitutierte gedacht wird. Der Wirklichkeitsbezug mittels Sprache spezifiziert die Betrachtung der Sprache auf den Aspekt ihrer Leistung für die Formung und Organisation der Erfahrung. Der Stellenwert der Wirklichkeit findet seine erkenntnistheoretische Relevanz in der Frage: Besteht Sprechen nur im Ausdrücken sprachunabhängiger Denk- und Wahrnehmungsinhalte, an denen sich durch den Ausdruck nichts ändert, oder sind diese Inhalte immer schon sprachlich bestimmt, so dass die Formen unserer Sprache die Formen unserer Erfahrung sind. In diesem Fragezusammenhang erhält das Bedeutungsproblem seine besondere Relevanz für die S. Für beide Möglichkeiten des Bedeutungsverständnisses lassen sich repräsentative Autoren benennen, die auch die späteren Entwicklungen in entscheidendem Maße geprägt haben: Die Diskussionen der Neuzeit können dabei auf zahlreiche sprachphilosophische Überlegungen der Antike und des MA. (Significatio) zurückgreifen. Für die gegenwärtige Diskussion lassen sich einige deutliche Akzentsetzungen benennen: Ockham stellt sich die Sprache als ein Zeichensystem vor, das der primär vorsprachlich gegebenen Welt nachträglich zugeordnet ist. Dieses Verhältnis von sprachfreier Intuition der individuellen Außenweltdinge und nachträglicher Bezeichnung der intuitiv gewonnenen Vorstellungen durch Namen bestimmt die sprachphilosophische und erkenntnistheoretische Position des Nominalismus. Von dieser Auffassung her kristallisieren sich zwei Positionen heraus: der Rationalismus und der Empirismus. Für Leibniz gibt es keine von den Begriffen unabhängige Möglichkeit, das Denken auf seine Übereinstimmung mit dem Sein hin zu überprüfen. Diese durch die rationalistische S. repräsentierte Auffassung sieht den Bezug zur Wirklichkeit durch die Konstruktion einer Kalkülsprache (Universalsprache) nach dem Muster der mathematischen Symbolik gewährleistet. Die Leistung der Sprache wird durch den Aufbau einer ideal funktionierenden Sprache sichergestellt. In ihrer normierenden Absicht ist die Philosophie der idealen Sprache diesem Anspruch verpflichtet. Die Sprachkritik der durch Locke repräsentierten Position des Empirismus führt den Ursprung der Begriffe und Bedeutungen auf die sinnlichen Ideen zurück, die wir entweder aus sinnlichen Eindrücken von Gegenständen außer uns oder aus der inneren Tätigkeit des Geistes haben. Im Wort drückt sich immer nur die subjektive Art, in der der menschliche Geist bei der Zusammenfassung der einfachen Ideen verfährt, aus. Der Sprache kommt eine Repräsentationsfunktion, eine Merkfunktion und eine Gestaltungsfunktion zu. In der Konsequenz dieser Annahmen liegt es, den Wahrheitsanspruch einzig und allein in dem Gebrauch der Worte zu verorten: veritas in dicto, non in re consistit. Die wirklichkeitsbezogenen singulären Ausdrücke, die Namen, sind Zeichen für Begriffe, nicht für objektive Gegenstände. Wenn die Sprache nicht ein Spiegelbild des sinnlichen Daseins abgibt, sondern der geistigen Operationen, dann eröffnen sich von dieser Auffassung aus zwei Möglichkeiten der sprachphilosophischen Weiterentwicklung. Die eine zeigt sich in dem Unternehmen der analytischen Sprachphilosophie, die semantischen Grundausdrücke, die die Beziehung zwischen Sprache und Welt gewährleisten, zu analysieren. In der Theorie der Referenz werden die dafür in Frage kommenden Ausdrücke und deren Beziehung zu den Gegenständen thematisiert.
Der andere Weg zeigt sich in der Sinnanalyse der Wirklichkeit. Von der Leistung geistiger Operationen lässt sich auch in dem Sinne sprechen, wie Humboldt die Sprache als eine dem Menschen eigentümliche Form anzusehen: Alles geistige Sein wurzelt in einem schöpferischen Prozess (Energeia). Sprache wird zur Mittlerin zwischen Mensch und Welt, indem sie dem Menschen sowohl die Welt eröffnet als auch seine Weltorientierung leitet und prägt. Sinnlichkeit und Intellekt sind die Konstitutiven von Mensch und Sprache gleichermaßen. Die Sprache gibt die Mittel an die Hand, um Einheit in die Mannigfaltigkeit, Ordnung und Struktur in die Vielfalt zu bringen. In der Konsequenz dieser Auffassung liegt es, die an die einzelne Sprache rückgebundene geistige Auffassungsweise i.S. einer individuellen Weltansicht zu verstehen. Objektivität wird dann nicht abgebildet, sondern durch den Prozess der geistigen Formung errichtet und in der Intersubjektivität von Weltansichten erreicht. – Durch Herder und später durch Cassirer wird diese Ansicht erkenntnistheoretisch gegen den Dualismus von Sprache und Welt gewendet, indem schon für jeden sinnliche Eindruck der konstitutive Charakter der Sprache geltend gemacht wird. Jeder sprachliche Ausdruck fasst einen selbständigen Charakter der Sinngebung in sich, ist also nicht Abdruck einer gegebenen Anschauungswelt. Die Bedeutung ist erst in der sprachlichen Produktion gesetzt. Diese Konzeption führt zur transzendentalen Grundlegung der Welt durch Sprache: Welt bedeutet immer Sinnbezug, der nur durch sprachliche Leistung erbracht werden kann. Eine solche Auffassung weist auf den humanistischen Sprachbegriff zurück, der die gemeinschaftsbildende Funktion der Sprache herausgestellt und Sprache als intersubjektive und geschichtlich konstante Form des Menschsein betrachtet hat.
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LIT:
- K.-O. Apel: Die Idee der Sprache. In: Archiv f. Begriffsgeschichte Bd. 8 (1963)
- E. Cassirer: Philosophie der symbolischen Formen. Bd. 1. Die Sprache. Darmstadt 91988
- H. Gipper: Das Sprachapriori. Sprache als Voraussetzung menschlichen Denkens und Erkennens, Stuttgart-Bad Cannstatt 1987
- J. Hennigfeld: Die Sprachphilosophie des 20. Jahrhunderts. Berlin/New York 1982
- P. Prechtl: Sprachphilosophie. Stuttgart/Weimar 1998
- S. J. Schmidt: Sprache und Denken als sprachphilosophisches Problem von Locke bis Wittgenstein. Den Haag 1968
- J. Simon: Sprachphilosophie. Freiburg/Mnchen 1981
- J. Villers: Kant und das Problem der Sprache. Konstanz 1997.
Sprachphilosophie,analytische
in einer allgemeinen Charakterisierung lässt sich die a. S. als eine methologisch bestimmte Form des Philosophierens beschreiben (Hoche), deren Gegenstand die Sprache bzw. die Verwendungsweise sprachlicher Ausdrücke ist. Ihr liegt die Annahme zugrunde, dass die Sprache uns die Welt erschließt und in der Sprache unser Verhältnis zur Welt zum Ausdruck kommt. Analyse und Kritik dieses Weltverhältnisses haben daher von der Sprache auszugehen: »Alle Philosophie ist ˲Sprachkritik˱« (Wittgenstein: Tract. 4.0031). Von einer Philosophie der Sprache unterscheidet sich die a. S. dadurch, dass ihre Sprachuntersuchungen immer zugleich (nicht-sprachliche) Sachuntersuchungen einschließen, so dass die Analysen in allen philosophischen Disziplinen oder Sachgebieten Anwendung finden können. Diese Beziehung zwischen Sprachanalyse und Sachklärung drückt Wittgenstein in zwei Thesen aus: (1) Der Zweck der Philosophie ist die logische Klärung der Gedanken – insofern ist Philosophie als Tätigkeit der Kritik und nicht als Lehre zu begreifen (Tract. 4.112). (2) Der Gedanke ist der sinnvolle Satz (Tract. 4). Die Analyse der Sprache ist zugleich Analyse des Denkens und unserer Vorstellungen über die Welt. Daraus resultiert der programmatische Anspruch, sich erst über die Analyse der Sprache zu versichern, dass wir nicht aufgrund eines falschen Gebrauchs der Sprache zu philosophischen Scheinproblemen gelangen. In der Untersuchung der Verwendung sprachlicher Zeichen geht es der a.S. um die Klärung der Frage, was es heißt, dass ein Ausdruck Bedeutung hat und sich auf Gegenstände bezieht. Nicht die Gegenstände in der Welt, sondern die Aussagen über Gegenstände werden zum Thema der Analyse (Dieser methodische Schritt zur Analyse der Ausagen wird als »semantic ascent« bezeichnet).
Das thematische Spektrum der a. S. kann nur in allgemeinen Zügen durch Benennung der grundlegenden Positionen und der systematischen Fragestellungen skizziert werden. Zwei unterschiedliche Strömungen lassen sich innerhalb der a. S. ausmachen: Von Frege, Russell, Wittgenstein (Tractatus) und Carnap ausgehend, unternimmt sie eine logische Analyse der Wissenschaftssprache und der philosophischen Sprache (Philosophie der idealen Sprache). Im Unterschied dazu setzt sich die von Wittgenstein (Philosophische Untersuchungen) und Moore geprägte Ordinary-Language-Philosophy (Philosophie der normalen Sprache) zum Ziel, durch die Analyse des umgangssprachlichen Gebrauchs der Ausdrücke die philosophischen Begriffe und Probleme einer Klärung zuzuführen. Das Interesse des als »conceptual analysis« bezeichneten Analyseverfahrens richtet sich vor allen Dingen auf eine Klärung der Begriffe der kognitiven Organisation unserer Welt bzw. der mentalen Sprache, der politischen und der ethischen Begriffe (Metaethik). – Die semantische Analyse der Sprache konzentriert ihre Überlegungen zum einen auf die Art unserer sprachlichen Bezugnahme auf Gegenstände und zum anderen auf die Frage, wie sich die Bedeutung eines zusammengesetzten Ausdrucks aus der Bedeutung der Teilausdrücke ergibt. Daraus resultieren die unterschiedlichen Themenbereiche der a. S.: Im Vordergrund steht zunächst die Frage, was Gegenstandsbezug heißt und mit welchen Sprachmitteln er vollzogen wird. Eine erste Antwort darauf heißt: Durch den Subjektausdruck gibt der Sprecher den Gegenstand an, über den er eine Aussage machen will, und durch den Prädikatausdruck, was er über den Gegenstand aussagen will. Diese noch unspezifische Aussage wird in Detailproblemen konkretisiert: Zur eindeutigen Identifizierung eines einzelnen Gegenstandes bedarf es geeigneter sprachlicher Ausdrücke: der singulären Termini. Die Identifikation ist Voraussetzung dafür, dass eine Aussage über einen Gegenstand gemacht werden kann. In dem Umstand, dass das Bezugnehmen (Referieren) einerseits noch keine Aussage enthält und das Prädizieren andererseits als Aussage über einen Gegenstand einen eindeutigen Bezug voraussetzt, zeigt sich, dass Referieren und Prädizieren aufeinander verwiesen sind. Deshalb ist davon auszugehen, dass der Satz die kleinste sprachliche Einheit darstellt, der Bedeutung zukommen kann. Mit den Ausführungen über die Zuordnung von singulären Termen zu ihren Referenzgegenständen (d.i. den Individuen eines Individuenbereichs) sind Fragen der extensionalen und intensionalen Bedeutungsbestimmung (Intension/Extension) und des Stellenwerts von Eigennamen bzw. Kennzeichnungen verbunden. Die Kennzeichnungsund Merkmalstheorie der Referenz von G. Frege und B. Russell machen die Referenz eines Ausdrucks von seiner Bedeutung, d.h. von der Angabe von Bezeichnungsmerkmalen abhängig. Erweiterte Fassungen dieser Kennzeichnungstheorie finden sich zum einen in der Position der Bündeltheorie der Referenz (J. R. Searle), in der die Bedeutung referierender Ausdrücke durch ein Bündel von Merkmalen bestimmt ist, von denen für die Festlegung der Referenz nicht alle gleichzeitig zutreffen müssen, zum andern in der Auffassung der mit der Prädikation einhergehenden raumzeitlichen Lokalisierung des Referenzobjekts (P. F. Strawson, E. Tugendhat). Der pragmatischen Semantiktheorie zufolge ergibt sich die Bedeutung eines sprachlichen Zeichens aus dem Wesen seines Gebrauchs. Die Sprechakttheorie bindet die Bedeutung einer Aussage bzw. Proposition an den spezifischen Status der Äußerungsform (z.B. Behauptung, Frage, Befehl, Wunsch) zurück, der in der illokutionären Rolle angezeigt ist (Austin, Searle). Ein weiterer zentraler Problemkreis resultiert aus dem Erfordernis, eine Bedeutungstheorie für die natürlichen Sprachen zu bilden. Freges diesbezügliche Behauptung, dass die Bedeutung eines Satzes durch seine Wahrheitsbedingungen festgelegt ist, ist so zu verstehen, dass eine Person die Bedeutung eines Satzes dann versteht, wenn sie die Bedingungen kennt, unter denen der Satz wahr sein würde. Der Auffassung, es würde für eine Bedeutungstheorie genügen, die Wahrheitsbedingungen eines Satzes angeben zu können (Davidson), wird von anderer Seite entgegengehalten, dass eine solche Theorie auch erklären müsste, über welche praktischen Fertigkeiten ein Sprachbenutzer verfügt, von dem man sagen kann, dass er die Wahrheitsbedingungen eines Satzes kenne (Dummett; Wahrheit). Freges Behauptung von der Bedeutung des Satzes wird noch in einer anderen Hinsicht kontrovers diskutiert. Seiner Auffassung, dass nur das im Aussagesatz Ausgesagte (d.i. die Proposition) nach wahr oder falsch bestimmt werden kann, liegt die Vorstellung zugrunde, dass Propositionen klar voneinander unterscheidbare und identifizierbare Entitäten darstellen. Mit seinem Zweifel an dieser Annahme eröffnet Quine einen weiteren Diskussionsstrang der a.n S.
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LIT:
- G. Evans: The Varieties of Reference. Oxford 1982
- H.-U. Hoche: Einfhrung in das sprachanalytische Philosophieren. Darmstadt 1990
- W. Kellerwessel: Referenztheorien in der analytischen Philosophie. Stuttgart-Bad Cannstatt 1995
- F. v. Kutschera: Sprachphilosophie. Mnchen 21975
- P. Prechtl: Sprachphilosophie. Stuttgart/Weimar 1998
- E. Runggaldier: Zeichen und Bezeichnetes. Sprachphilosophische Untersuchungen zum Problem der Referenz. Berlin 1985
- Ders.: Analytische Sprachphilosophie. Stuttgart/Berlin/Kln 1990
- E. Tugendhat: Vorlesungen zur Einfhrung in die sprachanalytische Philosophie. Frankfurt 1976
- U. Wolf (Hg.): Eigennamen. Frankfurt 1985.