Verbrechen
wurden noch im MA. als Störung der göttlichen Ordnung aufgefasst, dagegen setzte sich zu Beginn der Neuzeit ein säkularisierter und zugleich weitgehend positivierter Verbrechensbegriff durch, der das V. als eine mit Strafe bedrohte Zuwiderhandlung gegen ein gesetzlich bestimmtes Ver- oder Gebot definiert. – Die mit rechtswidrigen Handlungen befassten wissenschaftlichen Disziplinen nehmen ihren Gegenstand aus unterschiedlichen Perspektiven in den Blick: Die Soziologie und die Sozialphilosophie erkennen in der Schädigung durch den Rechtsbruch insofern ein Moment sozialer Produktivität, als durch ihn die normative Selbstversicherung der Rechtsgemeinschaft mobilisiert wird (z.B. Durkheim, Mead). Dagegen ist die Strafrechtswissenschaft auf die Vorgaben des Gesetzes verpflichtet: Aus ihrer Sicht liegt nur dann ein V. vor, wenn (1) ein gesetzlich bestimmter Tatbestand erfüllt ist, (2) wenn Rechtfertigungsgründe, wie z.B. Notwehr, nicht gegeben sind und die Tat daher definitiv rechtswidrig ist, und (3) wenn die tatbestandsmäßige rechtswidrige Tat dem Täter schuldhaft zugerechnet werden kann. Die Kriminologie will sich aus der Enge des strafgesetzlichen Verbrechensbegriffs lösen und den größeren sozialen und politischen Zusammenhang von Kriminalität in den Blick bekommen. Nachdem frühere Bemühungen um einen zeitenthobenen materiellen V.sbegriff notwendigerweise erfolglos blieben, befürworten neuere Ansätze eine sozialdynamische V.sdefinition, die V. als das Ergebnis einer erfolgreichen Kriminalisierung auffassen und den Interaktionszusammenhang zwischen Täter und Opfer einerseits und zwischen Täter und den Instanzen einer informellen und formellen Reaktion andererseits betonen.
FG
LIT:
- H. Gppinger/M. Bock (Hg.): Kriminologie. Mnchen 62007
- U. Neumann/U. Schroth: Neuere Theorien von Kriminalitt und Strafe. Darmstadt 1980
- C. Roxin/G. Arzt/K. Tiedemann: Einfhrung in das Strafrecht und Strafprozerecht. Heidelberg 52006.