Proportion,Proportionalität
(griech. logos, lat. propositio, Verhältnis, Verhältnismäßigkeit). In der griechischen Antike hat sich in der Schule des Pythagoras eine bedeutende Proportionenlehre, d.h. eine Theorie der Zahlen- und Größenverhältnisse herausgebildet. Diese scheint vor allem von Eudoxos v. Knidos entwickelt worden zu sein und ist uns im 5. Buch der Elementa des Euklid überliefert. P.en erfüllen in der griechischen Mathematik eine wichtige Funktion: Die Definition der Zahl umfasst nur die (nach modernem Verständnis) positiven ganzen Zahlen. Die rationalen und irrationalen Zahlen sind deshalb als P.en von Zahlen bzw. von geometrischen Größen ausgedrückt worden. P. bedeutet, dass zwei Größen im gleichen Verhältnis zueinander stehen. Nach der Definition 20 im 7. Buch der Elementa stehen vier Zahlen genau dann in P., wenn jeweils die erste und die dritte sich als m/n-faches der zweiten bzw. vierten darstellen lassen (wobei m und n teilerfremd sind). Das Verhältnis a : b = c : d gilt dann, wenn a : b x m/n und c = d x m/n. Die Proportionenlehre hat eine entscheidene Rolle für die Lösung eines Grundlagenproblems der griechischen Mathematik gespielt, nämlich bei der Bestimmung inkommensurabler Größen (irrationaler Zahlen), d.h. solcher Größen (wie die Quadratdiagonale), die sich nicht als Verhältnis zweier ganzer Zahlen darstellen lassen (vgl. Platon: Theaitetos, 147 d ff.). In der Proportionenlehre des 5. Buchs der Elementa werden Größen einer bestimmten Art (z.B. Strecken, Flächen) durch Zahlenverhältnisse dargestellt. Zwei Größenverhältnisse a, b (Strecken) und A, B (Flächen) heißen gleich, wenn für alle möglichen Zahlen m, n gilt: Aus a/b > m/n folgt A/B > m/n; aus a/b = m/n folgt A/B = m/n; aus a/b < m/n folgt A/B < m/n.
JH
LIT:
- Euklid: The Thirteen Books of the Elements. bers., mit Einf. u. Komm. v. Sir Thomas L. Heath. New York 1956
- W. R. Knorr: The Evolution of the Euclidean Elements. Dordrecht u. a. 1975
- B. L. van der Waerden: Die Pythagoreer. Religise Bruderschaft und Schule der Wissenschaft. Zrich u. a. 1979.